Versorgung von Neu- und Frühgeborenen neu gedacht!

20. 11. 2017

Eröffnung der deutschlandweit einmaligen familienintegrierenden Früh- und Neugeborenenintensivstation am 17.11.2017 ist Meilenstein in der Versorgung von Früh- und kranken Neugeborenen

 

Passau.

Eltern kennen das Gefühl: Die Sorge um ihr Kind, wenn es krank ist und einfach bei ihm sein zu wollen. Ganz besonders, wenn es schwer erkrankt ist. Wie muss es da erst sein, wenn das Kind ins Krankenhaus muss und das sogar auf die Intensivstation?

Traurig aber wahr, aktuell ist es oftmals Standard, dass Eltern auf der Intensivstation nur zu Besuchszeiten zu ihrem Kind können. Geschweige denn ist die Möglichkeit vorgesehen, bei dem Kind auch zu übernachten und bei ihm zu bleiben, wenn es am notwendigsten ist. Dies gilt insbesondere auch für kranke Neu- und Frühgeborene.

Wer kennt sie nicht, die Erzählungen von Freunden und Bekannten aus eigener Erfahrung: Kranke Kinder, die in einem großen Raum untergebracht sind, laute Monitoralarme, ein einfacher Stuhl für die Eltern, die Angst um das Leben ihres Kindes haben und zusammenzucken, wenn es beim Nachbarkind Probleme gibt. Immer in der ständigen Sorge „wird mein Kind auch ein Problem bekommen? Wird es überleben? Wie wird es sich entwickeln?".

Diese Sorgen sind nicht selten. Etwa jedes zehnte Kind kommt zu früh auf die Welt und jedes siebte Kind muss nach der Geburt in eine Klinik, oftmals getrennt von Vater und Mutter.

Wie kann in einer solchen Atmosphäre der Traumatisierung eine Eltern-Kind Bindung gelingen? Dass die Einbindung und Unterstützung der Eltern auf der Intensivstation einen wesentlichen positiven Einfluss auf das Wachstum und die Heilung des Kindes, aber auch für die Eltern, haben, ist seit langem bekannt – die bauliche Infrastruktur hinkt jedoch hinterher.

Vor nunmehr fünf Jahren hat unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Keller, dem Ärztlichen Direktor der Kinderklinik Dritter Orden Passau und Mitinitiator der Europäischen Stiftung für Neugeborene (EFCNI) (die den Weltfrühgeborenentag gegründet hat), ein ganzes Team aus Experten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten wie Medizintechnik, Architektur und Innenarchitektur, sowie einem Ärzte- und Pflegeteam ein neuartiges Konzept einer Frühgeborenenintensivstation entwickelt und umgesetzt. Dabei wurden die Prozesse und Bedarfe des Kindes und der Eltern systematisch analysiert, europaweit andere Kliniken, unter anderem in Salzburg, Stockholm und

Heidelberg, besucht und die entsprechenden Analysen, eigene Erfahrungen, sowie das Projekt Neo(T)räume des Bundesverbandes „Das Frühgeborene Kind e.V.", zu Grunde gelegt.

In Passau profitieren nun kranke Kinder und deren Eltern von einer optimalen entwicklungs- und heilungsfördernden Umgebung. „Medizin und Pflege auf Spitzenniveau sind unser Anspruch, damit sich auch kranke Neu- und Frühgeborene gut entwickeln, schnell groß und gesund werden – dazu gehört eine entwicklungsfördernde Umgebung genauso wie die Anwesenheit und Unterstützung der Eltern, die sogenannte familienintegrierende Versorgung", so Chefarzt Prof. Dr. Matthias Keller.

Das Eltern-Baby- und Familienzentrum wurde nach einem speziellen Raumkonzept verwirklicht, das auf die Bedürfnisse von Frühgeborenen und kranken Neugeborenen sowie deren Eltern eingeht. So gibt es beispielsweise auf der Intensivstation nur noch Doppel- und Einzelzimmer, Toiletten in den Intensivzimmern, spezielle Rooming-In Zimmer für die Eltern mit Doppelbett und Nasszelle. Wert wurde außerdem auf ein wohnliches Ambiente mit entsprechenden Möbeln, ein passendes Farbkonzept, sowie auf spezielle Maßnahmen zur Lärmreduktion und eine neu ausgestaltete Medizintechnik, gelegt. „Eine moderne technische Ausstattung hilft, die Sinnesentwicklung von Frühgeborenen direkt nach der Geburt zu schützen und zu fördern. Wir arbeiten leidenschaftlich daran eine ideale Pflegeumgebung für Neugeborene zu schaffen – so auch in Passau", erklärt Tilo Stutz, Marketing Manager bei Dräger, einem international führenden Unternehmen auf den Gebieten der Medizin- und Sicherheitstechnik.

Das neue EBZ besteht aus insgesamt drei Bereichen: Der Intensivstation für kranke Neu- und Frühgeborene sowie kritisch kranke Kinder, der allgemeinen Neonatologie und dem Ronald McDonald Haus der McDonald‘s Kinderhilfe Stiftung. Eine weitere Besonderheit: Das Ronald McDonald Haus in Passau ist deutschlandweit das Einzige, das direkt in die Kinderklinik integriert wurde und mit der Intensivstation unmittelbar verbunden ist. „Mit dem Neubau sind wir neue Wege gegangen, um Intensivmedizin mit Wärme und Wohnlichkeit zu vereinen, ein entwicklungsförderndes Umfeld und eben Raum für die ganze Familie zu schaffen." Eltern können im EBZ immer nah, rund um die Uhr, bei ihren kranken Kindern sein - „sie sind wichtige Partner bei unserer Arbeit. Eltern sind bei uns keine Besucher, sondern werden von Beginn an in den Behandlungsprozess mit einbezogen."

Die Familie im Mittelpunkt

„Es hat mir ein wenig die Angst genommen, dass wir immer zusammen sein konnten", erinnert sich Mama Dagmar aus Passau an die Zeit mit ihren frühgeborenen Zwillingen Vroni und Toni in der Kinderklinik. Knapp zwei Monate mussten die drei, anfangs auch noch zu viert mit Papa Florian, in der Kinderklinik bleiben – „Vroni kam mit nur 790 Gramm auf die Welt und hat noch Unterstützung beim Atmen gebraucht."

Eine schwere Zeit, in der das Team der Kinderklinik in der Versorgung und Behandlung von Frühgeborenen auf einen familienintegrierenden Ansatz setzt – neben der besten medizinischen Versorgung. Denn abgerundet wird das deutschlandweite Leuchtturmprojekt in Passau zusätzlich durch die Einrichtung der bayernweit zweiten Humanmilchbank sowie eines Simulationszentrums für Frühgeborene, um das Ärzte- und Pflegeteam im Rahmen einer bedarfsgerechten Versorgung, dem optimalen Umgang, aber auch Wiederbelebungsmaßnahmen von Frühgeborenen, zu schulen. „Es ist toll zu sehen und jeden Tag zu erleben, was sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Wir haben nun die besten Voraussetzungen für eine optimale Betreuung der Allerkleinsten geschaffen und als Team sind wir noch enger zusammengewachsen", kann auch Luise Resch-Veit, Stationsleiterin vom neuen EBZ nur bestätigen.

 

Große Spendenkampagne ermöglicht den Bau

Um die Geborgenheit für kranke Kinder und ihre Familien auch tatsächlich zu realisieren, waren neben den vorhandenen Mitteln und Zuschüssen weitere Gelder nötig – „Wir waren unbedingt auf die Spenden angewiesen, um die Deckungslücke zu schließen", so Reinhard Schmidt, Geschäftsführer der Kinderklinik. Im Rahmen der Spendenkampagne „Wir bauen fürs Leben" wurden so in den letzten Jahren knapp drei Millionen Euro gesammelt. „Wir haben unser anvisiertes Spendenziel nur knapp verpasst und können stolz auf den enormen Rückhalt und das Vertrauen aus der Bevölkerung sein. Ob Vereine, Organisationen, Unternehmer oder Einzelpersonen – alle haben dazugeholfen", richtet der Chefarzt im Namen des gesamten Kinderklinik-Teams, der Patienten und deren Familien seinen Dank an alle Förderer, Spender, Partner, Unterstützer und prominenten Botschafter, die den Bau des Eltern-Baby- und Familienzentrums für die Region ermöglicht haben.

 

Einweihung am Weltfrühgeborenentag, Freitag den 17.11.2017 mit zahlreicher Prominenz

Am 17. November, dem Weltfrühgeborenentag, wurde das neue Eltern-Baby- und Familienzentrum offiziell eröffnet und eingeweiht – bei solch einem Anlass nicht ohne Beteiligung des Bundesverbandes „Das frühgeborene Kind e.V.", der im Rahmen der EBZ-Eröffnung seine Hauptveranstaltung zum Weltfrühgeborenentag nach Passau verlegt hat. „Nur durch die konsequente Umsetzung derartiger Konzepte können die Allerkleinsten den erschwerten Start ins Leben mit umfassender Unterstützung durch Ärzte- und Pflegeteams, vor allem aber auch durch ihre Eltern, bestmöglich bewältigen", so die Bundesverbandsvorsitzende Barbara Mitschdörfer. Neben ihr und weiteren Vertretern des Bundesverbands ist auch Starautor Sebastian Fitzek zur EBZ-Eröffnung angereist. Als Botschafter des Bundesverbandes „Das frühgeborene Kind" e.V. setzt sich der Autor engagiert für eine optimale Versorgung von Frühgeborenen ein, auch weil er selbst Vater eines Frühgeborenen ist – sein Sohn Felix kam 11 Wochen zu früh auf die Welt.

Übrigens: Schirmherrin über die EBZ-Baumaßnahme ist Karin Seehofer, die Ehefrau des bayerischen Ministerpräsidenten, die an der Eröffnungsveranstaltung ebenfalls teilnahm. Als weitere Ehrengäste nahmen teil die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml, Vertreter der regionalen-, Landes- und Bundespolitik, sowie die Vorstandschaft des Bundesverbandes "Das Frühgeborene Kind" e.V. um deren Vorsitzende Barbara Mitschdörfer und den Generalsekretär der „Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V.", Dr. med. Karl-Josef Eßer.

 

 

 

Bild zur Meldung: Logo Eltern-Baby- und Familienzentrum Passau