KKVB Positionen für Bayern zu der Bundestagswahl 2021

23. 08. 2021

Als korporatives Mitglied des Katholischen Krankenhausverband Deutschland e. V. verweisen wir auf dessen Positionspapier zur Bundestagswahl (siehe download-Bereich: weitere Informationen).

 

Ergänzend betonen wir spezifische bayerische Themen, die wir im weiteren ausführen:

 

  1. Wir katholischen Krankenhäuser verstehen uns von je her als Partner der Kommunen und des Landes bei der langfristigen Sicherstellung der Gesundheitsversorgung.

 

Christliche Krankenhäuser sind aus dem Willen ihrer Träger entstanden, dort wo Not ist zu helfen. Das ist unsere DNA. Wir verstehen uns ferner als Partner der Kommunen und des Landes Bayern. Dort, wo unsere Krankenhäuser sind, übernehmen wir einen Teil der Gesundheitsversorgung. Unsere konfessionellen Krankenhäuser in Bayern und insbesondere die Teams, die Menschen, diejenigen, die bei uns arbeiten, haben in der Corona-Krise durch großen z.T. höchsten Einsatz ihre Rolle als Gesundheitsversorger wahrgenommen. Es lohnt sich, das zu betonen. Wir glauben, dass Trägervielfalt genau deshalb Zukunft haben muss.

 

In unseren anderen Arbeitsfeldern wie Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Kindertagesstätten, Schulen, etc. ist das meist selbstverständlich: Wir nehmen für die Region einen Teil der sozialen Hilfen wahr und entlasten damit Kommunen, Bezirke oder das Land. Unser Selbstverständnis gilt auch für die Gesundheitsversorgung. In den vergangenen Jahren scheint dies allerdings etwas verloren gegangen zu sein. Wir nehmen in manchen Regionen wahr, dass wir in einem harten Wettbewerb ausnahmslos als Konkurrenz – auch von kommunalen Krankenhausträgern – gesehen werden. Das sind wir aber nicht und so verstehen wir uns nicht. Was wir daher benötigen, sind gesetzliche Regularien, auf Basis derer wir regionale Gesundheitsversorgung partnerschaftlich und auf Augenhöhe mit den kommunalen Trägern gestalten können.

 

 

  1. Weniger ist mehr: Klare und langfristige Strukturen der Krankenhausfinanzierung für die Zukunft

 

Dank des schnellen Handelns der Politik in der Corona-Krise konnten viele unserer Krankenhäuser das Jahr 2020 ohne wirtschaftliche Not überstehen. Es ist auch keine Frage, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen teilweise zu erheblichen Mitnahmeeffekten in 2020 geführt haben. Im Jahr 2021 ist die Situation aber bereits eine ganz andere, denn die Auswirkungen der Pandemie reichen in die Folgejahre hinein. Mit Blick auf das Jahresende melden einige Geschäftsleitungen der Krankenhäuser erhebliche wirtschaftliche Verluste und liquiditätsmäßige Probleme. Das liegt u.a. an den gesetzlichen Änderungen im Rahmen des Rettungsschirms, an den durch erhöhte Hygiene- und Abstandsregeln reduzierten Behandlungskapazitäten, an den Regularien der Abfinanzierung des Pflegebudgets, an zögernden Patienten, sich während der Pandemie behandeln zu lassen und auch an dem ausgebrannten, sich immer mehr abwendenden Fachpersonal.

 

Wir möchten die Politik deshalb darum bitten, regional differenziert und entsprechend dem jeweiligen medizinischen Spektrum unterschiedlich auf die Finanzierung der Krankenhäuser zu schauen. Absolut notwendig sind eine verlässliche Investitionsfinanzierung und eine auskömmliche Finanzierung der Betriebskosten für die als bedarfsnotwendig angesehenen stationären medizinischen Strukturen. Die geförderte Investitionsfinanzierung in Bayern fällt trotz aller betraglichen Anpassungen mit 3,5% der Umsätze geringer aus, als die mindestens 7%, die auf der Grundlage verschiedener Auswertungen für Krankenhäuser angenommen werden. Aufgrund der damit notwendigen Eigenmittelinvestitionen der Krankenhäuser in Gebäude, IT-Strukturen, Medizin- und Gebäudetechnik müssen die dadurch entstehenden Abschreibungen durch die betrieblichen Erlöse der DRG Finanzierung getragen werden. Wir plädieren weiterhin für ein an wettbewerblichen Regeln angelehntes Finanzierungssystem der Betriebskosten, fordern aber die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten (z.B. Lohndifferenzen aufgrund der Stadt – Land Strukturen) und ein System der Vollfinanzierung anerkannter bedarfsnotwendiger medizinischer Strukturen. Dies sind beispielsweise die Notfallmedizin, die Geburtshilfe und die Intensivmedizin.

 

 

  1. Krankenhausplanung muss in der Verantwortung der Länder bleiben.

 

Die letzten Jahre ergeben eine schleichend indirekte Übernahme der Krankenhausplanung durch den Bund:

 

  1. Die Einwirkungsmacht des Bundes auf die Krankenhausplanung nimmt durch den GBA, die QFR-RL, die Notfallstufenregelungen, die Mindestmengenthematik und Strukturvorgaben, wie sie im KHZG ganz massiv enthalten sind, mehr und mehr zu

 

und

 

  1. diese Regelungen erhöhen den Druck auf jedes einzelne Krankenhaus, so dass vorhersehbar diejenigen ausscheiden, die diese unterschiedlichen Hürden nicht mehr nehmen können.

 

Das führt gesellschaftspolitisch betrachtet aber zu einem Auseinanderdriften, was Bürger und die politisch Verantwortlichen vor Ort als richtig erachten, und was auf Bundesebene diskutiert und durchgesetzt wird. Die Fortführung dieser Strategie wird beispielsweise zu einer Stärkung der urbanen Zentren und zu einer Schwächung der ländlicheren Regionen führen. Sie wird auch zu einer Bevorzugung großer Krankenhausstrukturen führen, obwohl erwiesenermaßen auch in kleineren oder mittleren Krankenhausstrukturen qualitativ hochwertige Medizin angeboten werden kann. Der Abbau von Trägervielfalt wird sich anschließen.

 

Derzeit dominieren die „Busses“ und die Kostenträger die Diskussion, wenn es um die zukünftige Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland geht. Auch Herr Hecken setzt hierzu Zahlen in die Welt. Wir hoffen darauf und wünschen uns, dass die Bundesländer differenzierter und in dieser öffentlichen Diskussion deutlicher Stellung beziehen und sich im politischen Meinungsbildungsprozess für eine Weiterentwicklung der stationären medizinischen Versorgung aussprechen.

 

Diese Weiterentwicklung muss aus unserer Sicht am größten Engpass ansetzen, den wir jetzt und auf absehbare Zeit haben. Das ist das Fachpersonal. Diese Spezialisten werden sich tendenziell dort bewerben, wo ihre Dienste ausreichend durch Kolleginnen und Kollegen abgesichert sind, wo ihre medizinische und pflegerische Lernkurve nicht nach unten, sondern durch ausreichende Fallzahlen nach oben geht und sie werden die Arbeitgeber aussuchen, die z.B. im Bereich der Digitalisierung, der Fort-Weiterbildung und der sozialpolitischen Stellung eine Professionalisierung vollzogen haben. Das erfordert aus unserer Sicht sehr viel mehr medizinische und unternehmerische Schwerpunktbildung, Kooperationen und im Zweifelsfall auch eine aktive politische Einflussnahme zugunsten einer effizienten und effektiven Patientenversorgung.

 

 

  1. Krankenhausplanung regional auch inhaltlich moderieren.

 

Wir sind der Auffassung, dass das Gesundheitsministerium in München nach unserer Auffassung – auch zur Klarstellung der Frage, wer in Deutschland Krankenhausplanung macht – noch stärker in die Moderation der Gestaltung der regionalen Gesundheitsstrukturen einsteigen sollte. Letztlich ist dies nicht gegen, sondern mit Blick auf den Bund, im Sinne der Kommunen. Dabei sollten aus unserer Sicht auch die Strukturen der ambulanten fachärztlichen Versorgung mit in die Planung der Gesundheitsstrukturen einbezogen werden. Zum einen, da Krankenhäuser seit vielen Jahren die ambulante Behandlung mit sicherstellen (insbesondere im Bereich Notfallmedizin), zum anderen, weil die Altersstruktur der niedergelassenen Fachärzte in Bayern bei etwa 54 Jahren liegt und die Nachfolgeregelung aus unserer Sicht schon jetzt nicht und auch in Zukunft nicht ohne die Krankenhäuser organisiert werden kann.

 

Wer, wenn nicht die Krankenhausplanungsinstanz bringt unterschiedliche Träger inkl. KVB an einen Tisch, um kreativ über kooperative Strukturen in der Zukunft zu sprechen, die sich zwingend am Versorgungsbedarf (insbesondere Demografie, Qualität, Fahrzeit) orientieren müssen. Es geht hier auch nicht unbedingt um Krankenhausschließungen durch die Landesregierung. Wir verstehen die rechtlich bestehenden Restriktionen, die ein zu starkes Einwirken schwierig machen, aber wir sehen in der Planung der Gesundheitsstrukturen eine sich entwickelnde wichtige Gestaltungsrolle in der Zukunft.

 

  1. Pflegefachkräfte müssen auch nach der Bundestagswahl prioritär in der politischen Debatte bleiben.

 

Wir können erkennen, dass das Pflegebudget natürlich positive Effekte auslöst. Wir sehen auch, was strategisch wirklich positiv zu bewerten ist, dass die generalistische Ausbildung und die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Ausbildung zu einer erhöhten Nachfrage an Ausbildungsplätzen führen. Aber es ist nicht genug getan, um das Thema in der nächsten Zeit nach der Bundestagswahl liegen zu lassen. In der Kranken- wie in der Langzeitpflege bedarf es intelligente Lösungen zur Verbesserung der Rahmen- und der Arbeitsbedingungen.

 

Zum einen müssen gut aus- und weitergebildete Pflegefachkräfte mehr medizinische Verantwortung erhalten, wodurch neue Aufgaben- und Verantwortungsbereiche geschaffen werden. Dies ist sicherlich eine bundesweite Aufgabe in Zusammenarbeit mit der BÄK. Zum anderen benötigen wir einen höheren Anteil im Bereich der Managementausbildung (Personalführung, Organisation) in den medizinischen und pflegerischen Berufen für untere- und mittlere Führungsebenen. Die derzeit bestehenden erlernten Grundfähigkeiten und damit auch Grundverständnisse für das Zusammenspiel an Prozessen und Aufgaben von hochqualifizierten Pflegekräften und Medizinern sind gering und führen im praktischen Leben zu Defiziten bei der täglichen Organisation der Prozesse.

 

 

  1. Gesundheitsversorgung ist mehr als Krankenhaus(planung)

 

Gesundheit erfordert Bildung. Wir plädieren dafür, dass beginnend von den Grundschulen bis zu den weiterführenden Schulen die Gesundheitsbildung verpflichtend in den Lehrplan mit aufgenommen wird. Auch hier haben die Bundesländer die Hoheit. Wir werden aus unserer Perspektive das Problem der Mangel- und Fehlernährung, der Bewegungsarmut und der sozialen und digitalen Stressfaktoren mit Krankheitsfolgen nicht in den Griff bekommen, wenn an dieser Stelle nicht ein Anfang gemacht wird. Dies ist ein langfristiger Weg, der keine kurzfristig messbaren Erfolge bringt, aber dazu beitragen kann, das individuelle Bewusstsein und vor allem die Verantwortung für die eigene Gesundheit zu erhöhen und damit die Tragfähigkeit des Gesundheitssystems der Zukunft zu erhalten.

 

In Analogie zum Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem April 2021 und zugespitzt formuliert bedeutet dies, dass die individuelle Freiheit der nächsten Generation auch davon abhängig ist, wie diese aufgrund heutiger Entscheidungen in Zukunft ihre Gesundheitsversorgung organisieren und die Gesundheitskosten finanzieren können.